Guden!
Heute geht es weiter mit dem nächsten Interview. Chantal Busse taucht inzwischen regelmäßig in meinen gehörten Hörbüchern auf und ich habe mich wirklich sehr auf das Interview gefreut.
Chantal Busse ist Sprecherin und Schauspielerin.
Schon in der Schulzeit begeisterte sie sich für Bücher und Schauspiel. Jahre später und mit einem Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart im Gepäck, arbeitet sie als Sprecherin und Schauspielerin. Nicht nur hinter dem Mikro ist sie anzutreffen, sondern auch bei Lesungen, Live-Hörspielen und anderen künstlerischen Projekten.
Chantal findet ihr auch hier –> Webseite Instagram
S: Vielen Dank, dass du dabei bist. Du darfst jetzt erstmal eine Aufgabe erledigen und dich in 3 Sätzen vorstellen.
CB: Oh je (lacht). Du hattest mir die Fragen ja schon vorab geschickt und da hatte ich schon einen Knoten im Kopf. Ich versuche den mal zu lösen. Mein Name ist Chantal Busse, ich bin Sprecherin. Und dieser Job hat mich tatsächlich schon in die unterschiedlichsten Bereiche geführt, von Werbung über Hörspiel, Game, Voice Over, eigentlich alles. Aber die meiste Zeit verbringe ich tatsächlich, was natürlich auch am Medium liegt, im Hörbuchstudio und nehme Geschichten auf. Waren das schon drei Sätze? Ich weiß es nicht, egal (grinst).
S: Die drei Sätze sind auch nur so ne Angabe für Menschen, die Angst haben sich nicht begrenzen zu können.
CB: Ja und man hyperventiliert erstmal kurz zum Einstieg.
S: Ich weiß, dass ihr wenig reguläre Arbeitstage habt. Wie sieht für dich der ideale Arbeitstag aus, wenn du ihn dir vorstellen müsstest?
CB: Hm…erstmal würde ich sagen, mein idealer Arbeitstag sieht anders aus, als der Tag zuvor. Das liebe ich an diesem Job, dass ich im besten Fall jeden Tag was anderes zu tun habe. Und dann unterscheidet sich das für mich nochmal in „Nehme ich ein Hörbuch auf“ oder „Nehme ich etwas kürzeres auf“. Ich glaube, wenn ich ein Hörbuch aufnehme, sieht für mich ein idealer Tag so aus, dass er nicht so früh beginnt. Ich glaube, das haben viele Sprecher*innen gemeinsam. Ich bin gerne an einem Ort, an dem ich mich wohlfühle, mit Menschen, die ich auch persönlich sehr gerne mag und mit denen ich gerne zusammen arbeite. Das ist mir wichtig. Und dann hab ich im besten Fall eine Geschichte vor mir, die einen Sog hat und eine Protagonistin, die ich cool finde. Und wir kommen gemeinsam in einen Flow, es geht einfach so Seite für Seite und ja, … es läuft einfach. Das ist ein Tag, in dem ganz viel Zauber liegt. Und wenn ich nicht gerade im Hörbuchstudio bin, sondern eine Werbung aufnehme oder ähnliches, dann freue ich mich, wenn die Session vormittags ist, wir Spaß bei der Aufnahme haben, gut durchkommen und alle zufrieden sind. Mittags dann einen Kaffee in der Sonne und wenn ich dann noch Energie habe, geh ich abends vielleicht auf ein Konzert oder eine Lesung. Das sind immer sehr gute Tage.
S: Ja, das klingt schon sehr gut. Tatsächlich haben einige Sprechenden bisher gesagt, dass der Tag zumindest mit dem Arbeiten erst um neun oder später anfangen soll.
CB: Was ja auch logisch ist, weil die Stimme bei den meisten vorher gar nicht wach ist. Leute, die es gewohnt sind, um fünf Uhr aufzustehen, deren Sprechapparat ist um acht Uhr natürlich schon wach. Das ist bei mir nicht so. Ich freue mich, wenn ich langsam in den Tag starten kann.
S: Hast du etwas, was du immer im Studio dabei haben musst?
CB: Meinen Hund (grinst). Das macht schon viel aus. Ich merke, dass sie mir ganz viel Ruhe gibt und irgendwie eine ganz tolle Atmosphäre im Studio herrscht, wenn so ein vierbeiniges Wesen mit dabei ist. Ansonsten, je nachdem wie das Studio ausgestattet ist, auf jeden Fall etwas zu trinken. Mein Tablet natürlich und seit kurzem habe ich so einen Spleen, dass ich immer…kennst du diese Kunststoffkissen, auf die man sich eigentlich drauf setzt, weil man Beckenprobleme hat? Das habe ich aktuell immer dabei und schieb mir das zwischen Rücken und Stuhllehne, weil ich dann aufrechter sitze. Also manchmal komme ich dann dick bepackt im Studio an. Ich würde sagen, das ist mein ideales Equiment (lacht).
S: Gab es denn schon mal etwas, was du lernen wolltest oder dir nachträglich angucken wolltest, weil es in einem Hörbuch oder einem anderen Projekt vorkam? Also zum Beispiel eine Sprache, die du lernen wolltest oder eine Stadt, die du besuchen wolltest oder ein Hobby, dass du austesten wolltest?
CB: Ich glaube, ich weiß auf welches Hörbuch du anspielst.
S: Waaaas? Nein, zu dem Buch kommen wir später nochmal (grinst).
CB: Okay, dann sage ich an dieser Stelle, dass ich mal für ein Buch sowohl die Aussprache von koreanischen, japanischen und vietnamesichen Wörtern lernen musste. Das war für „Tränen im Asiamarkt“ von Michelle Zauner. Ganz, ganz tolles Buch. Mein Jahreshighlight 2023 war das. Das war sehr herausfordernd, weil ich mit keiner dieser Sprachen groß Berührungspunkte hatte. Außer dass der Papa meiner ältesten Freundin aus Japan kommt und ich dementsprechend einige Wörter schon mal gehört hatte. Aber sie selbst auszusprechen, war richtig krass. Und ich war so, so dankbar, dass ich liebe Menschen um mich herum habe, die direkt gesagt haben „Schick mir eine Liste und die Wörter, die du brauchst und ich versuche sie dir als Sprachnachricht aufzunehmen“. Das ist super hilfreich und überhaupt nicht selbstverständlich. Und gleichzeitig hat das Hörbuch dazu beigetragen, dass ich ganz, ganz unbedingt lernen wollte, wie man Kimchi selber zubereitet. An dieser Stelle Shoutout an Dennis von Hygge Audio, der großartiges Kimchi selber macht und glücklicherweise immer mal wieder in der Mittagspause welches dabei hat und einen probieren lässt.
S: Wie gesagt zu dem anderen Buch kommen wir noch. Es gibt ja Sprecher*innen, die ihre Texte akribisch vorbereiten mit Farben und Anmerkungen. Andere lesen es nur einmal und das reicht. Was machst du in der Vorbereitung?
CB: Und manche lesen es vorher gar nicht (lacht). Bis vor einem Jahr war ich eine Person, die sehr akribisch vorbereitet hat. Farbliche Markierungen bei der wörtlichen Rede, jeden Satz markiert, wo die Betonung liegt, wie die Bögen sind und teilweise sogar die Stimmung in der Szene an den Rand geschrieben und so. Mittlerweile versuche ich, weniger zu machen, weil ich gemerkt habe, dass ich sowieso schon sehr verkopft bin beim Sprechen. Und mir diese sehr akribischen Notationen eher ein Hindernis waren und ich dann über meine eigenen Anmerkungen gestolpert bin. Stand jetzt ist das mindeste, was ich mache, dass ich beim ersten Lesen die wörtliche Rede farblich markiere, damit ich im Studio weiß, wer gerade mit wem spricht. Das ist für mich auch eine Sache von Respekt den Leuten gegenüber mit denen ich arbeite. Wenn ich da anfange rumzustottern, weil ich nicht vorbereitet bin…das wäre mir super unangenehm. Aber ich übe mich darin alle anderen Notationen so gering wie möglich zu halten und lasse es im Großen und Ganzen mehr durchfließen.
S: Ich finds witzig, weil eine Person die primavista liest, hat mit dir gleich erwähntes Hörbuch eingelesen.
CB: Ha! (lacht).
S: Welche Momente liebst du denn am Sprecher*in sein?
CB: Boah (überlegt). Ich glaube auf so einer basic Ebene mag ich es erstmal, selbstständig zu sein. Und mir im besten Fall recht frei einteilen und entscheiden zu können, wann ich was arbeite. Ich mag auf der einen Seite die Vielfältigkeit dieses Berufs. Und bin gleichzeitig wahnsinnig überfordert damit, muss ich ehrlich sagen. Ich bin nicht so gut mit „immer wieder in neue Situationen springen“. Und was ich konkret am Hörbuch sprechen liebe: Ich habe schon immer super super viel gelesen. Als Kind habe ich die halbe Bücherei bei mir im Dorf durchgelesen. Dementsprechend ist da eine ganz große Liebe für Literatur, eine ganz große Liebe für Geschichten. Eine ganz große Faszination für Leute, die diese Bücher schreiben. Und diese mit meiner Stimme irgendwie zum Leben zu erwecken, so pathetisch das auch klingen mag, ist ein wahnsinniges Privileg und eine ganz große Freude.
Es ist so absurd, wir sitzen jetzt hier, weil du irgendwie mitbekommen hast, dass ich das mache. Und vielleicht das ein oder andere Hörbuch mit meiner Stimme gehört hast. Und ich bin so „Hä? Was?“. Mir ist das so null bewusst, dass das, was ich da fabriziere, in die Welt hinaus geht. Und dass Leute Zeit damit verbringen und eine Resonanz kommt, das finde ich immer noch total surreal. Und das ist glaube ich das Schöne. Dass sich da offenbar irgendwas raussendet und bei Leuten ankommt und irgendwie wieder den Weg zurück zu mir findet und – auch wenn ich es nicht ganz verstehe -, ich trotzdem total berührt davon bin. Ja.
S: Dann stell dir mal vor du stehst einfach nur auf der Buchmesse rum und ahnst nichts, erwartest nichts und dann ist da so eine Sprecherin, die hast du schon so oft gehört und hast bald ein Interview mit ihr und wirst einfach so erkannt. Stell dir das mal kurz vor. Du hast mich richtig kalt erwischt. Weil ich auch einfach nur neben Nicole Böhm stand und ihr zugehört habe und plötzlich wird mein Name genannt.
CB: Aber hast du mich da erkannt?
S: Ja (grinst). Ich hab halt überlegt, dass alle Menschen, die auf der Buchmesse in Leipzig sind und bei Suehören dabei sind, in mein Signierbuch schreiben müssen. Was ich dann ja auch wirklich jedem unter die Nase gehalten habe. Und ich war dann so „Da ist Chantal, die ist ja auch hier. Ich muss sie irgendwann in den nächsten drei Tagen nochmal erwischen“. Und dann kamst du und hast mich erkannt und ich war so „Ähhhhh, okaaaay“ (lacht).
CB: Jaaaa. Also irgendwie ist das für mich so „Ja natürlich“. Wir hatten ja schon mal Kontakt und da hatte ich gesehen, wie du aussiehst. Also hab ich dich natürlich wiedererkannt. Genauso wie du mich erkannt hast.
S: Ich vergesse regelmäßig, wie viel ich durch das Teilen des Hörbuchkrams teilweise auch in den Köpfen drin bleibe. Ich kann das Gefühl ein wenig nachvollziehen.
CB: Und Podcast. Und bloggen. Du machst ja auch echt viel. Dementsprechend gar nicht so ungewöhnlich, dass man mittlerweile dein Gesicht erkennt.
S: Ich bin tatsächlich mit Vincent Fallow durch Hamburg gelaufen, weil wir frühstücken waren und dann war da eine Person, die ihn mit Namen angesprochen hat. Ich dachte dann erstmal an einen Fan und dass ich gleich ein Foto machen kann, wenn die Person das möchte. Und dann war das aber eine Sprecherin, die auch mich erkannt hat und sie hat im kurzen Gespräch meine Interviews erwähnt. Und ich war so „Was zum Teufel passiert hier?“.
CB: Ich glaube wir sind da gar nicht so unähnlich, was dieses „Hä?“ angeht, weil wir… ich habe auf deinem Blog gesehen, dass du über das Imposter-Phänomen geschrieben hast. Ich glaube das ist so verbreitet unter Menschen, die künstlerisch-kreativ arbeiten, dass sie irgendwie nicht verstehen, dass das funktioniert und dass vielleicht nicht direkt jemand um die Ecke kommt, der sagt „Ach übrigens wir haben gecheckt, dass du das alles nicht kannst und wir nehmen dir alles weg, was du dir erarbeitet hast.“ Ich habe noch nicht den Trick herausgefunden, wie ich diese innere Stimme stumm schalten kann. Aber wir arbeiten daran.
S: Ja, das ist ungefähr auch mein Stand.
CB: Und ich glaube solche Momente wie auf der Messe oder hier zu sitzen und miteinander zu sprechen, helfen vielleicht uns beiden, dass wir das mehr annehmen können.
S: Ja. Kommen wir zu besagtem Hörbuch (grinst) (Anmerkung: Songs of Emerald Hills von Anabelle Stehl). Wie schwer fiel dir das Irisch und wie oft kommt das vor, dass du von Autor*innen Sprachnachrichten kriegst, damit du Wörter richtig aussprichst?
CB: Ich muss dazu sagen, ich hatte das Glück, dass bei mir gar nicht so viel gälisch vorkam. Vincent hatte auf jeden Fall mehr zu tun. Es fiel mir (lacht) okayisch schwer oder okayisch leicht. Anabelle Stehl hat sich aber auch wirklich wirklich Mühe gegeben, in ihren Sprachnachrichten das so zu erklären… also du musst dir das so vorstellen: du liest was auf dem Papier und dann bekommst du eine Sprachnachricht von Anabelle und es ist einfach etwas ganz anderes als das, was da steht. Und du bist so „Moment, bin ich gerade in der Zeile verrutscht? Achso…das soll das heißen?“. Das war die Schwierigkeit, aber sie hat das sehr sehr schön gemacht. Sie hat mir zuerst eine Nachricht geschickt, wie das Wort oder der Satz geschrieben steht und hat dann die Lautschrift runter getippt und dann noch die Sprachnachricht dran gehängt. Und dann ging es tatsächlich. Aber ich war froh, dass ich nicht den großen Teil hatte.
S: Und wie oft kommt das vor?
CB: Dass ich solche Sprachnachrichten von Autor*innen bekomme? Gar nicht so häufig. Meistens bekommt man die Aussprachen vom Verlag geschickt. Manchmal frage ich aber trotzdem nochmal nach, zum Beispiel „Hey, wie hattest du eigentlich den Namen der Protagonistin oder des Protagonisten im Kopf? Wie würdest du die aussprechen?“. Was häufiger vorkommt ist, dass wir Sprecher*innen fragen „Kann jemand XY Sprache sprechen und kann mir bei der Aussprache helfen“. Eine Kollegin von mir hat zum Beispiel zuletzt einen Krimi gesprochen, der in Island spielt. Oder besagtes Hörbuch mit koreanischen, japanischen und vietnamesischen Aussprachen. Das passiert immer häufiger. Und ich bin da auch noch nicht so ganz im Reinen mit mir… mach ich das Fass jetzt auf? Wir können ja mal kurz drüber sprechen. Ich bin grundsätzlich eine Verfechterin von Own Voice-Geschichten und finde es gut, wenn nach Sprache, nach Herkunft besetzt wird und da sensibel mit umgegangen wird. Zum Beispiel bei Rabia Doğan, dass sie eine Sprecherin gewählt hat, die die Sprache ihrer Protagonistin spricht. Und wenn es eine Geschichte über eine BiPoc-Protagonistin ist, die ganz klar rassistische Erlebnisse aufarbeitet, dann finde ich es schwierig, wenn beispielsweise ich besetzt werden würde. Da habe ich auch echt mit mir gehadert, als die Anfrage für „Tränen im Asia Markt“ kam, weil es mitunter darum ging diese Zerrissenheit zwischen den Kulturen darzustellen. Und ich bin ganz offensichtlich keine Person mit koreanischer Herkunft. Und auf Rückfrage beim Verlag kommt meistens die Antwort, dass es keine passenden Sprecher*innen gibt. Was natürlich auch wieder ein Strukturproblem ist: wer wird an einer Schauspielschule angenommen – da kommen ja viele Sprecher*innen her-, welche Theaterstücke werden gespielt, welche Geschichten erzählt, welche Rollen besetzt. Und dementsprechend baut alles irgendwie aufeinander auf. Das dazu.
S: Das ist voll okay. Dafür ist es da. Ich habe mit Toni Michael Sattler unter anderem auch über Synchronbuch schreiben geredet, weil er das auch macht. Genau dafür mache ich den Kram ja.
Was ist denn dein Ausgleich zum Sprechen, mal abgesehen von dem Hund?
CB: (lacht) Wenn ich nicht spreche, dann versuche ich mir viel Zeit freizuschaufeln oder Projekte schon im Vorfeld so zu legen, dass ich zwischendrin immer mehrere Wochen habe, um mit dem Camper unterwegs zu sein. Das ist für mich Ausgleich. Ein innerer Drang raus zu kommen, Neues zu entdecken, viel in der Natur zu sein und das im besten Fall so unkompliziert wie möglich. Das genieße ich schon sehr, so vollkommen offline zu sein, wenn es denn möglich ist. Manchmal merke ich dann zwar doch, dass ich am Handy hänge und E-Mails beantworte, aber im besten Fall kann ich einfach abschalten.
S: Fühle ich. Ich hatte tatsächlich eine Zeitlang mittwochs immer bis 19 Uhr Dienst. Mit Bus und Bahn war ich dann immer um 20 Uhr zuhause. Zuhause habe ich dann das Handy weggelegt und nur Diamond Painting und Serie oder Film gemacht.
CB: Diamond Painting…ist das das mit den kleinen…
S: mit den kleinen Steinen. Das Malen nach Zahlen mit Steinen quasi. Und dann halt das gemacht oder nur gestrickt, mein Fotoalbum mit Fotos beklebt oder so und dabei Serie oder Film gucken. Sonst nichts. Der PC blieb dann wirklich aus.
CB: Etwas anderes als Ausgleich, ist dann so Trash TV. Das ist ganz schlimm. Manchmal komm ich nach einem Hörbuchtag nach Hause und ich merke, dass ich nicht mehr reden kann, dass ich nicht mehr aufnahmefähig bin. Dann hilft nur noch „Love is Blind“ oder „Princess Charming“, sowas gucke ich dann.
S: „Love is Blind“ hab ich angefangen, aber nach ein paar Folgen wieder aufgehört, weil es gar nicht meins war. Aber ich versteh das. Bei mir läuft dann ein und dieselbe Serie mehrfach.
CB: Du machst das wirklich, dass du dir Serien doppelt oder dreifach anguckst?
S: „Criminal Minds“ und “Castle” habe ich seit den jeweiligen Erstausstrahlungen in 2005 und 2009 fünf Mal durchgeguckt.
Gibt es denn ein Buch, das du unbedingt einlesen wollen würdest? So ein richtiges Lieblingsbuch und wenn es schon ein Hörbuch gibt und sie eine Neuaufnahme machen, sagst du „Bitte fragt mich“?
CB: Da schlagen mehrere Herzen in meiner Brust…
S: Du darfst auch mehr als eins nennen.
CB: Okay. Ich glaube einmal wäre es „Bilder deiner großen Liebe“ von Wolfgang Herrndorf. Weil ich Wolfgang Herrndorf liebe. Vor allem für „Arbeit und Struktur“. Das Buch bzw. den Blog, den er geschrieben hat, kurz bevor er sich das Leben genommen hat. Dann gibt es den Teil in mir, der so dystopische Fantasy-Geschichten total liebt. Zum Beispiel das „Das neunte Haus“ oder „Shadow and Bone“ von Leigh Bardugo. Dazu würde ich sofort „Ja“ sagen. Und es gibt ein ganz tolles Buch, „Die fabelhaften Schwestern der Familie Cooke“ von Karen Joy Fowler.
S: Der Titel sagt mir was.
CB: Das habe ich gelesen und es hat mich richtig umgehauen. Und dann wollte ich nochmal das Hörbuch hören und die Stimme in meinem Kopf war eine ganz andere. Ich würde jetzt nicht sagen, dass es meine Stimme war, aber ich dachte da schon, das hätte ich sofort und super gerne gesprochen.
S: Schon eine gute Auswahl.
CB: Gott, aber es ist eine Auswahl. Warum kann ich mich nicht nur auf eins beschränken?
S: Ich kenne so viele Bücher und ich bin nicht mal Sprecherin und selbst für mich wäre ein einzelnes Buch nicht möglich vermutlich.
CB: Ich spiel mal die Frage zurück: welches würdest du gerne sprechen oder nochmal lesen wollen, ohne es zu kennen?
S: Definitiv „Let’s be wild” (lacht). Da hätte ich tatsächlich den Teil von Nina, den würde ich am liebsten lesen, weil Evie…ich hab die Personenbeschreibung der Figur auf Instagram gelesen und hab mich direkt darin wieder erkannt. Anabelle meinte direkt auch „Du wirst sie lieben“ und Evie ist wirklich sofort meine Lieblingsfigur geworden. Hier auf dem Schreibtisch steht auch eine signierte Illustration von Evie. Das wäre so ein Part, den ich auch lesen würde. Und nochmal quasi unbekannt lesen wäre „Herr der Diebe“ von Cornelia Funke.
CB: Scheiße, Cornelia Funke gibt es ja auch noch (grinst). Neeeein!
S: Ich liebe halt Venedig seit ich klein bin. Ich war noch nie da, aber auch die „Commissario Brunetti“-Filme, die in Venedig gedreht wurden, liebe ich sehr. Weil es ist die Stadt und Italien, was ich auch sehr liebe. Und eine richtig großartige Kindergeschichte mit „Herr der Diebe“. Das wäre so ein Buch…ey.
CB: Ja, verstehe ich sofort. Bei mir waren es damals „Die Wilden Hühner“. Ich weiß, dass da vor kurzem erst die Hörspiele produziert wurden, auch hier in Hamburg, und als ich das gesehen habe, ist mein Herz kurz ein bisschen gebrochen. Da hätte ich wirklich gerne mitgesprochen.
S: Fühle ich. Cornelia Funke ist auch eine ganz große Liebe bei mir. Gab es denn Momente in deiner Laufbahn, bei denen du am liebsten alles hingeschmissen hättest? Und wenn es sie gab oder sogar noch gibt, was tust du dann?
CB: Oh…also lebenstechnisch oder sprechertechnisch?
S: Das könntest du dir aussuchen. Hier aber natürlich im Vordergrund das Sprechen.
CB: Ich frage deswegen, weil du hier mit einer Schulabbrecherin sprichst (grinst). Drei Monate vorm Abi. Ciao. (lacht) Also ja, auf jeden Fall und tatsächlich auch gemacht. Alles hingeschmissen. Wobei, das klingt so destruktiv. Ich glaube ich bin kein Fan von „Du hast das angefangen und jetzt musst du dich da durchquälen und das durchziehen auf Teufel komm raus“. Wie kann ich das sagen? (überlegt) Ich glaube, ich würde mir wünschen, auch für mich selbst, dass wir uns frei machen von Erwartungen, äußere und innere, und mehr auf unser Bauchgefühl hören. Nachdem ich die Schule abgebrochen hatte, war da erstmal ein ganz großes Fragezeichen. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nur, dass ich schon lange den Wunsch hatte, in Hildesheim Kreatives Schreiben zu studieren. Dafür brauche ich ein Abitur, dachte ich. Also muss ich irgendwie einen Plan B finden, um da ran zu kommen, denn zurück in die Schule war keine Option. Und das hat tatsächlich geklappt. Ich habe ein Jahr später die Schulfremdenprüfung gemacht. Das ist eigentlich eine Möglichkeit für Jugendliche, die nicht regelmäßig zur Schule gehen können, „nebenbei“ ihr Abitur zu machen. Man bereitet sich selbst darauf vor oder lernt in einer Abendschule und dann setzt man sich in einer Schule in die Abiprüfung und schreibt mit. Und bei mir lief das tatsächlich ähnlich ab. Long story short, irgendwann hatte ich mein Abi in der Tasche und habe mich in Hildesheim für Kreatives Schreiben beworben und den Platz auch bekommen. Aber mein Bauchgefühl hat die ganze Zeit gesagt „Nee, mach das nicht“. Nur hat man sich manchmal so in etwas verrannt und schon so lange eine Vorstellung davon, wie das Leben zu laufen hat, dieses „ich habe mir das jetzt vorgenommen und deswegen muss ich das jetzt erreichen“. Und in so einem Moment dann nochmal Pause drücken und nachfühlen „Ist das noch aktuell oder ist das eine Vorstellung von vor ein paar Jahren“. Das ist mein größtes Glück eigentlich, dass ich da verstanden habe „Hör mal auf dein Bauchgefühl und geh einen ganz anderen Weg“. Ich bin super dankbar dafür, dass das so gelaufen ist. Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt überhaupt gar keine Ahnung hatte, wo mich das hinführt. Dementsprechend, ja, auf die Schnauze gefallen und gleichzeitig auch nicht. Happy learning. Für irgendwas ist es gut. Irgendwo landet man und irgendwie denke ich mir „Ich glaube da wo du bist, bist du ganz richtig“.
S: Kenne ich. Ich habe eine Physio-Ausbildung abgebrochen nach vier Monaten.
CB: Ja! Und ich denk mir, es gehört so viel Mut dazu etwas abzubrechen. Warum ist „abbrechen“ so oft gleich bedeutend mit „scheitern“? Nee, Mut zum Scheitern und Mut dazu, aus etwas auszubrechen, das einem nicht das richtige Gefühl gibt. Das macht dich sonst nur kaputt.
S: Also generell mit Menschen arbeiten ist okay, aber ich muss sie halt nicht behandeln und massieren. Das ist ja fast noch das leichteste. Den ganzen Kram muss ich ja nicht drauf haben, zum Glück, aber alleine diese Woche, in der ich überlegt habe zu gehen. Das war schon hart, aber ich bin sehr dankbar inzwischen dafür.
CB: Ja, kannst du stolz auf dich sein.
S: Hast du denn einen Tipp für alle Sprechanfänger*innen da draußen, die auch professioneller sprechen möchten, egal ob hauptberuflich oder nebenberuflich? Irgendwas, was man jemandem am Anfang mitgeben sollte?
CB: Erstmal würde ich sagen „Du musst nicht alles können“. Ich finde es ganz wichtig zu verstehen, dass man nicht die eierlegende Wollmilchsau sein muss, sondern sich auch ganz klar raussuchen kann “Diese Sachen machen mir Freude, diese Sachen eher nicht”, um sich dann zu fokussieren. Und wenn du ganz am Anfang stehst, dann hör dir an oder schau dir an, was dir gefällt. Versuche zu verstehen, was dir daran gefällt und was du dir vielleicht abgucken kannst. Und dann lass dich natürlich ausbilden. Ich persönlich finde es wichtig, dass man von Menschen lernt, die nicht nur gut sind, in dem was sie tun, sondern die eine pädagogische Grundausbildung haben. Du kannst ein großartiger Hörbuchsprecher, eine großartige Sprecherin sein, aber wenn du nicht weißt, wie du anderen vermitteln kannst, was du machst und warum du das machst, dann kann das zu sehr viel Verunsicherung führen. Dann: Machen. Schmeiß dich rein und probier dich aus. Und im besten Fall hast du ein Ziel, worauf du hinarbeitest und sei dir auf dem Weg dorthin nicht zu gut dafür, die Zwischensteps zu nehmen. Umgib dich mit Leuten, die dir gut tun, mit denen du dich gerne austauschst, die dich bedingungslos anfeuern, dir aber auch gleichzeitig ehrlich Rückmeldung und Feedback geben. Und ich glaube zwischen all dem darf man nicht vergessen, dass es Dinge gibt, die du selbst steuern kannst, auf die du selber Einfluss nehmen kannst und es trotzdem eine Frage von Timing und Glück ist. Ich bin selbst kein Freund davon, gerade als Frau, zu sagen „Naja, ich bin da wo ich bin, weil ich Glück hatte“. Nee, da steckt schon ne ganze Menge Disziplin und Durchhaltevermögen dahinter. Aber es hängt natürlich auch damit zusammen, zu welchem Zeitpunkt du dich bei welchen Studios gemeldet hast, ob eine Lektorin deine Stimme im Ohr hat, wenn sie ein Hörbuch besetzt. Weißt du? Das sind so Unwegbarkeiten, auf die du kaum Einfluss hast, aber die im besten Fall für dich arbeiten. Und ich glaube zu guter Letzt, darf ein Grundinteresse an Menschen in unserem Beruf nicht fehlen.
Natürlich arbeiten wir anders als eine Physiotherapeutin, aber wir arbeiten nicht nur mit Autor*innen und Lektor*innen von Hörbuchverlagen zusammen. Sondern auch ganz konkret mit Studiomenschen. Ich finde es so so wichtig ein Grundinteresse an Menschen zu haben. Und zwar nicht, weil sie eine Funktion für dich haben können und dir was nutzen können, sondern weil das tolle Menschen sind. Und im besten Fall ist so ein Hörbuch ein Gemeinschaftsprojekt von vielen verschiedenen Leuten, die daraus das machen, was letztlich in die Welt hinaus gelassen wird. Das bin nicht nur ich mit meiner Stimme, das ist nicht nur die Autor*in. Das sind ganz ganz viele Leute, die im Hintergrund arbeiten und die nicht aus dem Blick zu lassen, finde ich wichtig.
S: Damit hast du den offiziellen Fragenteil schon überstanden.
CB: Uffff. Hab mich um Kopf und Kragen geredet.
S: Und jetzt kommt noch eine Sache, bei der du, wenn du das möchtest, sehr wenig reden muss. Es gibt noch ein This or That, dass ich mit meiner Instagram-Community gemacht habe. Entweder du sagst nur das eine Wort, für das du dich entscheidest oder du sagst noch ein oder zwei Sätze zur Erklärung.
Synchronauftrag oder Lesungsauftrag?
CB: Lesung
S: Kaffee oder Tee?
CB: Man sollte eigentlich nicht meinen, dass das so eine schwierige Frage ist (lacht). Zuhause Tee, ich trinke zuhause keinen Kaffee. Ich trinke immer nur draußen Kaffee und maximal einen am Tag. Ansonsten bin ich total flatterig. Das ist für mich irgendwie so ein Leckerli.
S: Joa, ich hab da so 6-8 Tassen Kaffee pro Tag, aber ich reagier auch anders drauf (grinst). Das Koffein wird anders verarbeitet.
CB: Das ist krass! Also ist das so ein bisschen, wie Ritalin auch wirkt? Andere Leute werden davon flattrig und dich macht es aufmerksam.
S: Das hatte ich letztens mit Energy. Früher hat der mich flattrig gemacht. Hab ihn dann jahrelang nicht getrunken und vor kurzem dachte ich, dass ich mir ja mal einen holen könnte, weil ich abends Auto fahren müsste. Und es hatte einfach gar keine Wirkung. Hätte mir auch einen Softdrink holen können (grinst).
Lange Aufnahme über mehrere Stunden oder kurze Aufnahme über mehrere Tage?
CB: Kurze Aufnahme, mehrere Tage.
S: Pizza oder Pommes?
CB: Pommes!
S: Sehr gute Antwort.
CB: Aber ich bin auch Veganerin und da ist Pizza immer so… meh.
S: Pommes kann jeder essen.
CB: Pommes kann jeder essen, genau.
S: O-Ton oder Synchro beim selber gucken?
CB: O-Ton.
S: Sommer oder Winter?
CB: Äh, Frühling (lacht).
S: Geht auch, bei mir wäre die Antwort Herbst.
CB: Ja, Frühling und Herbst. Aber tendenziell Frühling. Bei mir wäre das Frühling und Herbst. Dann Winter und irgendwann ganz weit hinten Sommer.
S: Ja, du kannst halt immer mehr anziehen, aber irgendwann nichts mehr ausziehen.+
Hörspiel oder Hörbuch beim Selber sprechen?
CB: Beim selber sprechen? Boah, das ist gemein.
S: Ja (lacht). Ihr sagt immer ich bin so süß. Ich kann auch anders (lacht).
CB: Das ist halt so ganz anders.
S: Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Du kannst auch beides sagen.
CB: Vielleicht…ähm…Ich glaube Stand jetzt würde ich Hörspiel sagen, weil ich das gerade seltener mache, als Hörbuch. Das war diplomatisch, oder? Das war eine gute Antwort.
S: Schon (grinst). Homestudio oder Tonstudio zum Aufnehmen?
CB: Tonstudio.
S: Beim selber lesen Taschenbuch- oder Hardcover-Ausgabe?
CB: Soll ich dir was trauriges sagen? Ich komm gar nicht mehr zum Lesen.
S: Fühle ich.
CB: Ich glaube wenn ich mir ein Buch kaufen würde … das klingt schon traurig (lacht), dann Hardcover.
S: Und das letzte ist Serie oder Film gucken?
CB: Hm…Serie. Da kann man sich selbst so schön austricksen.
S: Ja, das kenn ich. Noch eine Folge, noch eine Folge, eine geht noch.
CB: Ja. Ich bin zu müde für einen Film. Lass uns eine Serie gucken. Fünf Folgen später…
Das war es schon mit Chantal Busse und unserem Interview. Die Socials von Chantal findet ihr oben, falls ihr jetzt neugierig geworden seid. Wir lesen uns in diesem Format dann wieder in einer Wochen!
Habt eine schöne Zeit!
Eure Sue
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