Auf einem beigen Hintergrund sieht man zwei Polaroids. Das linke Polaroid zeigt das Logo des Projekts. Das Logo zeigt auf einem dunkelgrünen Hintergrund einen Kopfhörer und den Schriftzug "Suehören" in Schreibschrift. Darunter steht in Druckschrift "Interview mit einer Stimme". Die Zeichnung und die Schrift sind weiß. Rechts ist im Polaroid ein Portrait-Foto der Sprecherin Nina-Carissima Schönrock. Auf dem breiten unteren Rand des Polaroids steht ihr Name.

Suehören – Interview mit einer Stimme – Nina-Carissima Schönrock

Guden!
Weiter geht es mit dem nächsten Interview. Diesmal mit Nina-Carissima Schönrock. Dieses Interview ist für mich tatsächlich sehr besonders. Nicht nur ist Nina die Person, die eine meiner liebsten Buchfiguren aus 2023 spricht (oder sogar aus meiner kompletten Lesehistorie), sondern sie wird vermutlich auch die Person sein aus dem ersten Jahr von “Suehören”, mit der ich das längste Interview produziert habe. Wir waren beim Aufnehmen kurz davor die zwei Stunden zu knacken ^^ Sonst sind es, selbst mit Begrüßung und Verabschiedung außerhalb der Aufnahme, meistens um die 60-70 Minuten pro Treffen.

Nina-Carissima Schönrock ist Synchron- und Hörbuchsprecherin, Journalistin, Coach und Moderatorin.
Schon als Teenagerin moderierte Nina ihre eigene Radiosendung. Nach einigen Zwischenstopps bei verschiedenen Radiosendern, zog es sie nach München, wo sie weiterhin im Journalismus- und Moderationsbereich arbeitete. Außerdem studierte sie Philosophie mit dem Schwerpunkt Medien- und Kommunikationswissenschaften. Seit 2020 arbeitet sie zusätzlich als Sprecherin. Zu hören ist sie in Hörbüchern und -spielen, Synchron, Voice Over und Werbung.
Wiederkehrende Rollen von ihr sind Evie Voss aus der “Let’s be”-Reihe und Eli Prevent aus der “Eine Hexe zum Verlieben”-Reihe.

Nina findet ihr auch hier –>   Webseite   Instagram   YouTube

 

S: Erstmal bin ich sehr dankbar, dass du dabei bist. Es freut mich sehr!

NCS: Für dich immer gern.

S: Du darfst schon mal anfangen dich in drei Sätzen vorzustellen.

NCS: Ich möchte als Satz 1 festhalten: Ich bin jemand, der sehr vielfältig ist, sowohl beruflich als auch privat, was es mir wahnsinnig schwer macht in diesen drei Sätzen zu bleiben, weshalb ich mich auf einen Berufssatz und einen Privatsatz commiten wollen würde. Also ein „wer bin ich“ und „was mach ich“. Dann würde ich anfangen mit dem “Was mach ich”.
Ich bin ausgebildete Journalistin, die jetzt seit fast 20 Jahren als Moderatorin auch für Radio und TV arbeitet und seit einigen Jahren als professionelle Sprecherin vor allem für Hörbuch, Synchron und Werbung. Ich liebe das sehr, weil es meinen Intro-Anteil und Extro-Anteil gleichermaßen befriedigt. Wer ich bin … ich bin eine Kaffee- und Katzen viel zu sehr liebhabende, bibliophile, Lingoaphile und Finifugalistin. Ich hab ein tolles Wort gefunden! (lacht) Finifugal ist jemand, der Enden hasst. Sowohl…der es nicht so mit finalen Momenten hat, sei es in Geschichten, sei es in Beziehungen, in irgendwelchen Momenten seines Lebens, weil er mit Enden und Abschieden nicht gut kann. Ich würde sagen, ich bin auf jeden Fall ein Finifugal. Ich kann auch nicht sagen „Tschüss“ oder „Bis dann“. Es ist immer ein „Bis später“ oder ein „Bis morgen“. Weil ich endgültige Dinge so gar nicht ausstehen kann.

S: Wie schön, dass es mit Evie und Eli [Anmerkung: Figuren aus “Let’s be wild” und “Eine Hexe zum Verlieben”] immer noch weitergeht.

NCS: (lacht) Ja! Du kannst dir vorstellen, was das mit mir gemacht hat, als Kristina Günak mir schrieb, dass sie von Eli selbst in eine zweite Staffel gezwungen wurde. Ich akzeptiere auch noch nicht, dass das mit “Let’s be free” wirklich das Ende ist, aber es wird tatsächlich leider das Ende sein. Da komm ich auch noch gar nicht mit klar. Einerseits freue ich mich extrem auf das Skript, andererseits möchte ich dieses Skript auch so gar nicht haben.

S: Versteh ich gut (zeigt Bilderrahmen mit signierter Illustration von Ninas Figur Evie). Ich hatte den Bilderrahmen im Bücherregal stehen, jetzt steht er auf meinem Schreibtisch. Also nur mal so zum Verabschieden von Evie und so.

NCS: Also, was für mich fast noch schwieriger ist als über mich selbst zu erzählen, ist ja die Tatsache langsam aber sicher zu realisieren, dass das, was man da tut, tatsächlich andere Menschen erreicht und etwas mit denen macht. Was ja der Grund ist, warum wir Sprecher*innen machen, was wir machen. Um jemanden da draußen überhaupt für einen Moment – und seien es 5 Minuten seines Lebens – schöner zu machen als vorher. Ihn irgendwo rauszuholen, wo er gerade drin steckt, aber nicht sein möchte. Wenn er nicht nach Hause will, ihm damit nochmal diesen Moment zu geben, in dem er den Schlüssel noch nicht in der Tür umdrehen muss. Dafür machen wir alles, was wir machen. Dass dann aber jemand da ist, der sagt „Danke dafür“ … Das ist etwas, an das ich mich noch gewöhnen muss. Es ist etwas, was ich unfassbar schön finde. Es ist besser als Geschenke unterm Weihnachtsbaum. Es ist ein alljährlicher Weihnachtsbaum und ich sitze am Nordpol in der Wichtelfabrik. Daher danke!

S: Bitte! An einem Tag hatte ich total Bock auf Louis Friedemann Thiele, alleine ohne einen weiblichen Gegenpart dazu, und in “Neon Birds” macht er alles alleine. Dann hatte ich die Wahl zwischen Straßenbahn 4 Minuten, plus vorher 20 Minuten warten, oder 25-30 Minuten nach Hause laufen, weil ich in der Nähe des Hauptbahnhofs wohne. Und dann bin ich nach Hause gelaufen. Und das ist mir auch schon mit Pia Saxe passiert, als sie dran war in “Let’s be wild”. Und dann war ich zuhause und war so „Joa, jetzt kann ich ins Bett gehen.“

NCS: Sowas ist so wunderschön. Echt toll. Hach! Ja, doch, ja…dem ist nichts hinzuzufügen.

S: Wie sieht denn für dich ein Arbeitstag als Sprecherin aus und wenn der sich ständig ändert, was ist denn deine ideale Vorstellung von einem Arbeitstag?

NCS: Dann nehmen wir die ideale Vorstellung. Was alle gemeinsam haben. Alle gemeinsam haben, dass sie nicht zu früh beginnen. Das ist mir sehr wichtig, weil ich morgens tatsächlich erstmal die Kinder aus dem Haus kriegen muss und dann brauche ich einen Kaffee und diesen Kaffee trinke ich wie eine alte Frau am Meer. Ich stehe dann da  und schau aus dem Fenster und dann muss dieser Kaffee auch leer sein, bevor ich los gehe. Das brauch ich tatsächlich, weil das für mich der Moment ist, in dem ich zelebriere, dass ich selbstständig bin.
Wenn du das sehr liebst, was du tust, dann haust du dir den Kalender auch mal bis oben hin zu, deswegen habe ich für mich gelernt, mir kleine Anker zu setzen. Dazu gehört der erste Kaffee morgens in der Früh. Und dann ist Stimme aufwärmen angesagt. Das mache ich inzwischen sehr fleißig, auch wenn ich es sonst nicht so mit Routinen hab. Und dann geht es ins Studio, welches es auch immer ist. Dann geh ich ins Studio und erledige sehr gerne, sehr zielstrebig die Arbeit mit einem Team, was ich sehr schätze. Privileg. Ich liebe es mit solchen Teamfamilien zu arbeiten. Es gibt Studios, die halten es sehr anonym und sachlich und fix und dann gibt es Teams, da hast du auch keine Zeit und gehst schnell rein und raus, aber in der Zeit hattest du unfassbar liebevoll wertschätzende Momente und man freut sich, sich wiederzusehen. Ich finde das ist das Beste, was du haben kannst. Denn wenn du keine festen Arbeitskollegen hast, dann bist du so als alleiniges Individuum darauf angewiesen, dass du trotzdem regelmäßig Leute triffst, die du magst und das es sich so anfühlt als hättest du einen festen Arbeitsplatz mit kleinen Zimmern, in die du rein und raus darfst und da sind nur Leute, die man geil findet.
Ich bin Themenspringerin, habe ich das erwähnt? Mein Gehirn ist voll mit Äffchen und ich liebe das, solange sie wissen, wie man eine Reihe bildet und sich an die Hand nimmt. Ich bin also im Studio und habe einen tollen Studiotag, wie lange er auch dauert. Alles über 6h mach ich nicht mehr. Heißt Hörbuch ist bei mir nach 6h Ende. Und wenn andere Stunden sich summieren ist auch nach 6h Ende. Das lege ich mir extra so, weil ich auch Mama bin. Gar nicht, weil ich eine unglaubliche Glucke bin, sondern weil ich die Kinder wirklich mag und sie sehr lustig sind. Und so  geht das dann Tag für Tag weiter. Und im Idealfall ist da mal ein Tag zwischen, wo nix ist und im Idealfall ist es ein Projekt, für das ich 5 Tage am Stück im Studio bin.
Und das Idealszenario des Sprechertags ist tatsächlich, dass ich innerhalb dieses Sprechertags ganz viele verschiedene Dinge erleben darf. Und das kann wenn es ein Hörbuch ist, ist ja schon bedingt durch die Story, die sich in der Zeit wahnsinnig entwickelt und wenn es ein Tag ist, an dem Synchron ist, dann hast du aber ja wieder verschiedene Projekte, für die du im Studio bist und du springst von einem Film in die nächste Serie und in Zeichentrick, in keine Ahnung was, das ist genial. Oder vom Synchron in eine Werbung und dann da noch ein Kapitel Hörbuch.
Das ist das Schöne, weil ich es von Kind an als Tollstes auf der ganzen Welt empfand, zwischen Welten zu springen. In manchen Situationen im Leben, weil ich glaube, jeder von uns so einen natürlich Drang zur Realitätsflucht hat. Aber auch weil ich immer das Gefühl hatte, wenn ich in andere Welten springen darf, dass da Freunde und Familie sind, die nur ich habe. Und damit ist mein Leben viel reicher als das aller anderen. Gar nicht kapitalistisch betrachtet, sondern rein emotional-sozial betrachtet. Ich hatte immer das Gefühl, irgendwo in einem Universum ist da jemand, der mich auffangen kann und immer für mich da ist. Und dass das jetzt mein Alltag ist, das finde ich sehr famos. Deshalb sieht so der ideale Sprechertag für mich aus.

S: Das mit den verschiedenen Welten fühle ich aber, denn ich habe letztes Jahr ein Tiktok gemacht so zum Thema „Du willst mich verletzten? Meine Freunde früher waren fiktive Polizisten und FBI-Agents.“ Und hab dann DVDs von “Criminal Minds” und so in die Kamera gehalten. Also von daher…

NCS: (lacht) Ich sehe schon, ich weiß, wie ich mit dir umgehen muss. Ich hatte eigentlich je Lebensabschnitt immer nur eine beste Freundin. Wahlweise mal einen besten Freund, weil diese Mädelscliquen mich nie gut fanden, so gern ich dazugehören wollte. Und ich echt in Sachen Mobbing mein Fett weg gekriegt habe, alter Schwede. Dann habe ich aber festgestellt, dass ich mit offenen Armen bei den Nerdis aufgenommen werde. Und es war das Beste, was hätte sein können. Ich habe deswegen aber auch wirklich bis vor…(überlegt), da war ich bestimmt schon kurz vor 30 … gebraucht um zu lernen, dass man mehr als eine Freundin haben darf, ohne dass einen was Schlimmes erwartet. Dass das nicht mit etwas Negativem verbunden sein muss. Dass da niemand hinter der nächsten Ecke wartet und dir das wieder wegnimmt. Dass du wirklich mehrere Menschen haben darfst, die dich mögen und du sie auch. Umso besser, das jetzt zu haben.

S: Das mit den ganzen Affen, bei mir sind es Kobolde oder ein Kobold, der sehr viele Quatschideen hat, auch das fühle ich übrigens sehr.

NCS: Ich habe mir mal sagen lassen – und kein Veto eingereicht –  dass das bevorzugt sehr intelligenten Menschen passiert, weil man einfach viele Dinge gleichzeitig verarbeiten kann und es deshalb auch tut und wenn dazu dann noch so etwas wie eine Hypersensibilität dazu kommt: Schuldig! Wo sowieso alle Antennen so stehen, gilt es eigentlich nur noch zu lernen, wie man die ganzen äußeren Eindrücke weglegt, damit man die inneren Eindrücke wenigstens sortiert bekommt.
Horrortage sind die, an denen der Kopf an ist mit tollen Sachen und du dich aber nicht darauf konzentrieren kannst, weil du den Tag in einem Raum verbringst mit vielen Eindrücken. Frankfurter Buchmesse, bestes Beispiel! Sehr viele Menschen, alle riechen anders, ich bin mit den Ohren in 17 Gesprächen drin, die mich gar nichts angehen. Währenddessen reden noch 3 Leute auf mich ein. Im schlimmsten Fall kommen sie alle hintereinander ohne Pause. Ich weiß jetzt noch, wie sich der Teppichboden angefühlt hat im Vergleich zu den Bodenplatten daneben. Und wenn die eigenen Ideen dann noch angekurbelt wurden, weil du dich in einem unfassbar kreativen Umfeld bewegst, dann ist abends Ende Gelände.

S: Kenne ich. Das mit diesen 17 Gesprächen wurde mir schon im FSJ gesagt, nur das es in dem Fall 18 waren und am anderen Ende des Flurs bei der anderen Klasse mit den Gedanken. Und so Sachen. Und das als FSJlerin, wenn du betreuen sollst und nicht betreut wirst…jaaa…es tat ein bisschen weh, aber ich habe es am Ende verstanden und inzwischen kann ich damit umgehen.

NCS: Weshalb ich glaube, dass das Sprechen zu mir kam. Damit ich einen Ausgleich zur Moderation habe. Ich liebe es auf der Bühne zu stehen und ich liebe, dass da so viele Fäden zusammen geführt werden müssen, weil ich das so gut kann. Aber dadurch, das da immer sehr viele Menschen daran beteiligt sind und viele Gäste und viele Techniker, ist das was, zu dem ich mir immer einen Ausgleich gewünscht habe, in dem ich trotzdem machen kann, was ich sehr liebe. Aber was mich nicht so fordert auf allen Ebenen. Joa, ist natürlich toll, wenn es dann das Sprechen wird, was doch wieder fordert auf allen Ebenen. Aber wenigstens ist man allein und es riechen nicht alle Leute unterschiedlich und es reden nicht alle ständig, es ist wirklich nur in deinem Kopf und bei dem Tonmenschen, dem du gegenüber sitzt.

S: Wenn du allein mit deinem Tonmenschen im Studio bist, gibt es etwas für die Hörbuchaufnahme, dass du unbedingt dabei haben musst?

NCS: Ja. Ich hab immer so ein Täschchen mit dabei. Immer. In diesem Täschchen sind Taschentücher, ein reines Bepanthol Nasenspray, ein abschwellendes Nasenspray für den Winter, der Laxvox (ein Schlauch, mit dem man gut Stimmübungen machen kann), ein Rachenspray und Gelo Revoice-Dinger drin. Und ich bin immer froh, wenn ich nichts davon brauche. Das habe ich immer dabei, weil ich in den drei Jahren, die ich das jetzt mache, für mich rausfinden musste, was funktioniert und was nicht. Ich bin zum Beispiel niemand mit Meerwasser-Nasenspülungskram. Da trockne ich aus. Danach kann ich 2 Wochen nicht arbeiten.
Meinen Kaffee mit Hafermilch habe ich auch immer dabei, weil ich irgendwann mal rausgefunden habe, dass das in meiner Psyche richtig viel ausmacht, wenn ich ins Studio gehe und das als eine Studiosituation wahrnehme, in der ich performen muss oder ob ich’s im Kopf einfach umdrehe und sage „Ich eigne mir keine neuen Routinen an für ein neues Szenario, sondern ich nehme meine Routinen einfach mit in diesen Raum“. Weil ich dann bei mir bleiben kann und mir keine Gedanken machen muss, weil ich mich dann drauf verlassen kann, dass ich funktioniere, weil ich jeden Tag so funktioniere und warum sollte das anders sein, wenn ich einen neuen Raum betrete. Deswegen habe ich immer den Kaffee dabei und nein, Kaffee mit Hafermilch schleimt bei mir nicht, trocknet mich nicht aus und macht bei mir keine zusätzlich unangenehmen Schmatzgeräusche. Ich habe immer meinen Kaffee dabei, meine riesen Wasserflasche und das Beauty-Case mit Notfallkram.

S: Tatsächlich, dass Kaffee doof fürs Sprechen ist, war eines der ersten Dinge, die ich von einem Hörspielautoren- und -regisseur gehört habe. Und ich saß so da „Okay, wenn ich jemals spreche, nein, das wird nicht funktionieren. Ich brauch meinen Kaffee“ (lacht).

NCS: Mit Milch geht für mich auch tatsächlich nicht, weil Milch im Mund schleimt, wenn die Lipide sich mit dem Speichel vermischen. Aber ich vertrage Kuhmilch im Kaffee eh nicht.

S: Meistens trinke ich ein oder zwei Tassen Kaffee und geh dann zur Arbeit, wo ich dann frühstücke.

NCS: Ist auch mein idealer Morgen! Aber das ist das Ätzende an Studiotagen, ich muss in der Früh was essen. Ich habe im Studio immer Hunger. Erstmal vorm Studio frühstücken, so dass es genug Abstand hat und kein Magengrummeln auf den Aufnahmen drauf ist und so. Wenn ich 2h Hörbuch gemacht habe, muss ich essen. Mehr geht nicht am Stück. Das wissen die auch alle schon und fragen immer, ob ich eine fünfte Mittagspause brauche (lacht). Es ist halt doch auch körperlich anstrengend. Man ist die ganze Zeit auf „Hab Acht“. Der Körper ist immer angespannt und das macht Hunger.

S: Es gibt Sprecher*innen, die ihre Texte akribisch vorbereiten. Mit verschiedenen Farben und allem. Es gibt aber auch welche, die einfach den Text nehmen und anfangen zu lesen. Was machst du davon? Ich weiß grob, dass du vorbereitest, aber wie?

NCS: Aaaalso. Ich finde, Vobereitung ist eine Frage des Respekts vor dem Projekt und dem Auftraggeber. Wie ausgiebig ich das vorbereite, hängt dann davon ab, was für ein Projekt und welcher Auftraggeber das ist. Wenn ich ein Buch mit wenigen Seiten und wenig Anspruch habe, das ich für wenig Geld mal kurz weglesen kann, allein zu Hause in meinem Studio ohne Regie, bereite ich das ganz anders vor, sag ich jetzt mal, als wenn ich für einen Verlag, so einen richtigen gestandenen Verlag mit guter Bezahlung und guten Büchern da stehe und sage, ich gehe extern ins Studio oder mach das via Live-Schalte. Wenn ich ein Buch bei mir in meinem Heimstudio aufnehme, was ich eh nicht mehr so oft mache, bereite ich tatsächlich nur noch die Rollen darin vor und einige wichtige Bögen und Betonungen. Die farblichen Markierungen sind dann ausschließlich die Rollen. Damit ich nicht mehr mitdenken muss, wer gerade spricht. Damit ich es einfach sehe und weiß. Da spielt mir jetzt aber die Erfahrung rein, dass ich mir nicht mehr groß die Betonungen setzen muss oder so. Wenn ich dann mal merke „oh, da hab ich mich mal kurz vertan“, bin ich nur mir selbst Rechenschaft schuldig, einmal einen Schnitt oder einen Marker zu setzen. Wenn ich aber gebuchte Studiozeit habe in einem externen Studio, finde ich es fahrlässig ein Buch nicht vorzubereiten, weil da jemand sitzt, der viel länger sitzen muss, wenn ich meinen Job nicht mache. Für den ich auch bezahlt werde, damit ich gut vorbereitet ins Studio komme. Vielleicht komm ich eines Tages dahin, wenn ich das 20 Jahre gemacht habe, dass ich dermaßen Starallüren habe, dass ich das mit der Vorbereitung nicht mehr brauche. Dann weiß ich noch nicht, wie ich es dann mache, aber nachdem sogar ein Johannes Steck große Bücher immer noch vorbereitet, wäre es, finde ich, sehr anmaßend von mir gegenüber allen Beteiligten einer Produktion, das nicht zu tun. Wenn ich das erste Mal für Hörbuch Hamburg am Start bin oder so, da achte ich natürlich nochmal viel penibler drauf, ob irgendwo wichtige Betonungen gesetzt werden müssen oder ob es Bögen gibt, die dramaturgisch wichtig sind. Ansonsten bereite ich eigentlich nur noch die Figuren vor. Und die sind bunt, sehr bunt (lacht).

S: Mein Kalender ist auch sehr bunt. Ich kenn das mit den vielen Farben (lacht). Gibt es ein Buch, dass du unbedingt einlesen wollen würdest? So ein richtiges Lieblingsbuch und wenn es das schon gibt, als Neuaufnahme, bei der du sagst “Für die Neuaufnahme nehmt mich, bitte?“

NCS: Es gibt ein Buch. „Die Eleganz des Igels“ von Muriel Barbery. Weil ich manche Dinge manchmal nicht mitbekomme, ging an mir vorüber damals, dass das ein Weltbestseller war. Und ich wusste lange nicht, dass die Thalbachs das Hörbuch dazu gemacht haben.
Es ist eine wundervolle Geschichte, von der ich kurz erzählen muss, um erklären zu können, warum dieses Buch so wichtig ist. Es ist ein Buch aus zwei Perspektiven. Von einer 54-jährigen Dame namens Reneé, die Concierge ist seit fast 30 Jahren in einem französischen Wohnhaus und sie ist so eine nette, schrullige Person, die da unten sitzt und immer auf diese selbstgefälligen Reichen im Haus blicken kann und aber da so ihren eigenen kleinen Kosmos hat und jeder, der an ihr vorbei läuft, sie entweder gar nicht sieht oder gnadenlos unterschätzt. Die andere Figur im Buch ist Paloma. Sie ist kurz vor Teenie und wohnt mit ihrer Familie in diesem Haus, in dem Reneé die Concierge ist. Aber die ist total abgefahren, weil die sich vorgenommen hat, pünktlich zu ihrem 13. Geburtstag Selbstmord zu begehen, weil sie den Sinn der Welt und die Sinnhaftigkeit ihres Seins in Frage stellt.
Das ist so schön, denn man würde sagen: Die Paloma ist eine sehr alte Seele. Sie sagt „Ja, ja, die Gedanken, die ich mir mache und die mich dazu bringen sollen Selbstmord zu begehen, die habe ich ja nur, weil ich besonders intelligent bin und mir die Gedanken überhaupt mache. Also ich hab mir nicht überlegt, ich bin ein Teenie und irgendwer liebt mich nicht und deshalb stürze ich mich vom Balkon“. Sondern Paloma analysiert tatsächlich die Welt als solche sehr krass. Ich selbst habe Philosophie studiert, weil ich das sehr liebe und meine Eltern meinten, dass ich studieren müsse. Also habe ich mir etwas ausgesucht, dass ich eh gerne lese und es wurde dann Philosophie mit Schwerpunkt Kommunikationswissenschaft. Hab das eh schon immer sehr geliebt und diese Paloma aus dem Buch, die nimmt sich sehr vieler philosophischer Theorien an, um sie auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen durchzuspielen. Auch wenn man nichts von Philosophie versteht, ist es ein wunderbarer belletristischer Roman. Wenn man aber Ahnung hat und diese ganzen philosophischen Theorien herauslesen kann…dieses Buch hat einfach so 80 Schichten und das liebe ich sehr. Es ist auch in verschiedenen Schriftarten geschrieben. So schon haptisch toll aufgearbeitet.

Es gibt ein Kapitel, dass sich mir aufgeschlagen hat, als ich zum ersten Mal überlegt habe, Berufssprecherin zu werden. Das war Anfang 2020. Ich hatte irgendwie 14 oder 15 Eventbuchungen in dem Jahr als Moderatorin, bis durch Corona eine nach der anderen abgesagt wurde. Nebenbei hab ich noch in einer Redaktion gearbeitet, also hatte ich ein festes Einkommen. Aber dann kam Corona. Mir blieb von den Moderationen als Veranstaltung nur eine Wirtschaftspodiumsdiskussion mit vorangehenden Workshops übrig. Hatte ich vorher noch nie moderiert. Da hab ich dann überlegt, wen ich fragen könnte für Moderationscoaching in diesen speziellen Bereich rein. Da fiel mir nur Alexander Mazza ein.
Der fiel mir ein, weil ich für eine Redaktion sieben Jahre lang die Miss Germany Wahl begleitet habe. Die finale Miss Germany Wahl im Europa-Park wurde immer von Alex moderiert. Im siebten Jahr hat der Redakteur, mit dem ich das immer gemacht habe, den Job gewechselt. Also musste ich das in dem Jahr alleine machen und mit ins Missen-Camp nach Fuerteventura fahren. Das war auch das erste Mal, dass Alex mit im Camp dabei war, weil die Missen mit Interviewcoaching fit gemacht werden sollten für die Bühne. Dadurch war er der erste, der mir einfiel, den ich als Coach fragen könnte. Alex hat mir bei unserem Termin dann erklärt, dass er mir handwerklich zwar nichts mehr beibringen könne, er aber gerne wissen würde, ob ich schon mal darüber nachgedacht hätte zu sprechen. Also als Sprecherin zu arbeiten. Hatte ich schon, aber hatte es verworfen, weil es einfach ein eigenes Handwerk ist. Alex hat mich dann an Johannes Steck verwiesen, weil das ein Freund von ihm ist und er dort selbst schon Hörbuch-Sprecher-Fortbildungen belegt hätte und das sehr viel Spaß gemacht hat. Ich habe dann aber erstmal abgewunken, weil für mich Hörbuch einfach die Königsdisziplin ist. Und ich habe oft das Gefühl, dass ich für alles erst mal eine Ausbildung brauche (lacht).
Alex hat für uns dann zwei Plätze gebucht bei Johannes Steck und ich hatte drei Tage lang eine Offenbarung. Ich saß mit Pipi in den Augen bei ihm am Tisch und habe gemerkt, dass Hörbuchsprechen genau das ist, was ich machen möchte. In Vorbereitung auf das Treffen sollten wir uns einen Text raussuchen, an dem wir uns abarbeiten möchten im Kurs. Da kam mir das Buch von Muriel Barbery in den Sinn, weil ich wusste: Das Buch ist so geschrieben, als hätte mich jemand sehr, sehr, sehr gut kennengelernt, mich in zwei verschiedene Menschen aufgeteilt und die beiden in einem Roman passieren lassen. Das Hörbuch dazu haben aber Katharina Thalbach und ihre Tochter gemacht und damit war ich raus (lacht). Bei anderen Kolleg*innen würde ich vielleicht sagen „Ja, eines Tages kann ich denen das Wasser reichen und dann machen wir es einfach nochmal“, aber die Thalbachs sind niemand, bei dem du das sagst. Ein Jahr später saß ich wieder bei Johannes Steck und habe mich mit seiner ehemaligen Assistentin Alexandra Rakosi unterhalten, die inzwischen selber Hörbuchregisseurin ist. Sie fragte mich, was ich gerne mal als Hörbuch machen würde und erzählte mir nach meiner Antwort, dass die zehn Jahre der Hörbuchlizenz um seien. Ich könnte ja mal schauen, wer die Lizenz aktuell hat und ob es vielleicht eine Neuauflage geben könnte.
Mit dieser Information habe ich nie wieder etwas gemacht, weil das ein heiliger Gral ist. Ich würde sterben, wenn ich dieses Buch als Hörbuch machen dürfte. Ich wüsste nicht, ob ich mit dem Druck klar kommen würde und ich weiß auch gar nicht, ob ich es jemals so abliefern könnte, wie ich es für mich inzwischen höre, wenn ich es lese. Es würde entweder mein bestes Hörbuch aller Zeiten werden oder ich würde mich dafür schämen. Und beides ist etwas schwierig.

S: Das ist möglich. Aber ich finde es witzig, dass du meintest, dass du als Figur im Buch quasi drinsteckst. Als ich die Figurenbeschreibung von Evie aus „Let’s be wild“ von Anabelle Stehl und Nicole Böhm zum ersten Mal gelesen habe und den Trailer gesehen habe, den ihr gemacht habt, war ich so „Woah!“. Und Anabelle meinte direkt, dass ich sie lieben werde. Dann habe ich die ersten Kapitel gelesen und habe mich gefragt, was Nicole da getan hat beim Schreiben.

NCS: Witzigerweise hat jede Figur mit uns selbst ungefähr 70% gemeinsam und 30% sind ausgedacht – und das Gruselige ist einfach, das keine der Autorinnen die anderen Sprecher*innen überhaupt kannte oder mit derjenigen von uns, die sie kennt, so eng wäre, um das zu wissen. Das heißt, es war völlig ins Blaue geschossen und ins Schwarze getroffen bei ganz vielen Dingen. Ganz viele Dinge, mit denen wir uns im Studio auch schwer getan haben, weil es so nah an uns selbst dran ist. Das ist einerseits ein Segen, andererseits war es eine sehr komische Erfahrung. Aber auch eine sehr schöne. Vor allem, dass wir sie gemeinsam machen durften, weil wir halt genau so befreundet sind wie die Mädels im Buch.

S: Das ist so schön.
Du bist Ehefrau und Mutter und als Moderatorin und Sprecherin bist du aber auch viel unterwegs. Wie gut lässt sich bei dir das Familienleben mit dieser Welt des Sprechens und Moderierens verbinden?

NCS: (überlegt) Gut. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen sehr gut, weil das einfach unrealistisch ist. Es war was, woran wir als Familie wachsen mussten. Aber es war auch gut, das wir daran wachsen konnten, weil das bei mir nicht von jetzt auf gleich kam. Mit dem Steigern unserer Abwesenheiten haben es die Kinder auch besser verstanden. Mit meinem Mann ist es inzwischen eine gleichwertige Sache mit den Dienstreise und wir fangen das für uns und die Familie gegenseitig auf. Wir lieben es beide unterwegs zu sein und räumen es uns deswegen auch einfach sehr bewusst gegenseitig ein. Wir haben da mittlerweile als Familie sehr gute Stellschrauben gefunden, uns da einzuspielen und einfach der Tatsache der Abwesenheit gar nicht so viel Raum zu geben. Die Vereinbarkeit ist gut, aber zeitweise erschöpfend.
Weil ich auch jemand bin, der sehr viel Zeit alleine braucht, weil ich die Stille brauche. Aber seitdem spaziere ich zum Beispiel überall hin, wo es geht, anstatt den Bus oder die Bahn zu nehmen. Ich laufe einfach zu jeder Möglichkeit, auch in unserer Wohnung. Wenn ich in Bewegung bin, kommt dadurch Ruhe rein. Und, da sind wir wieder bei „an Aufgaben wachsen“, mein Intro-Ich ist nicht mehr so platt nach Events. Auch dieser Anteil hat gelernt, damit umzugehen.

S: Welche Momente liebst du am meisten am Sprecherin sein?

NCS: Ich glaube, da kannst du genau das nehmen, was ich ganz am Anfang des Interviews gesagt habe. Dieses Wegtauchen dürfen, dieses Weltenspringen dürfen. Und in diesen Welten nicht nur jemanden zu haben, der auf einen wartet, sondern auch jemanden in diese Welten mitnehmen zu dürfen. Ich habe festgestellt, dass ich sehr gerne Gastgeberin bin. Dasselbe im Moderatorinsein. Du bereitest immer jemandem eine Bühne. Du bist immer im Gastgebermodus. Dieses „Jemanden mitnehmen irgendwohin, damit er nicht alleine gelassen wird“ in einer Zeit, in der er gar nicht alleine sein möchte. Da ist jemand, der sich ja bewusst dafür entscheidet, ein bestimmtes Medium zu konsumieren. Für diese Zeit entscheidet er sich bewusst dazu, seine Lebenszeit zu investieren in etwas, für das ich die Verantwortung trage und dafür, dass es gut ist und dass es das ist, was er sich davon erhofft. Nämlich eine Auszeit.
Und ich empfinde das als eine sehr große Verantwortung und Bürde. Das ist etwas, weshalb ich in diesem Beruf nie an den Punkt kommen werde, an dem ich sage „besser kann ich es nicht machen, ich mache es schon perfekt“. Weil die Frage mit jedem Projekt wieder neu lautet: Schaff ich das, dem Projekt gerecht zu werden? Meinem Anspruch gerecht zu werden und allen da draußen gerecht zu werden? Ich laufe über vor Dankbarkeit und es ist schon fast wie auf so komischen Motivationskärtchen, die man überall kaufen kann. Ich merke für mich, dass ich ständig das Bedürfnis habe, irgendjemandem „danke“ zu sagen, weil ich weiß, dass das keine Selbstverständlichkeit ist, was ich da tue und dass ich das auf dem Niveau tun darf, auf dem ich es tue. Dass die großen Verlage gerade alle an die Tür klopfen; dass ich diese geilen Geschichten lesen darf; dass ich Menschen treffen darf wie dich, die mit mir teilen, was das von mir Erschaffene mit ihnen macht. Und zwar nicht nur, wenn es ihnen nicht passt, sondern die es teilen, wenn es was Schönes mit ihnen gemacht hat. Die auch nicht nur schreiben „Stimme hat mir gut gefallen, toll“. Ich bekomme inzwischen sehr viele Nachrichten, in denen Menschen Lebensgeschichten mit mir teilen, während ich ja eigentlich gar nichts mehr tue. Aber dass ich etwas erschaffen durfte, das so nachwirkt. Das ist… das Beste.

S: Vor allem dann komm ich, das hab ich öfter mit Vincent Fallow, das ich denke „Okay, dass ist jetzt die dritte Story mit Vincent. Soll ich ihn wirklich verlinken?“. Und jedes Mal kriege ich wieder von ihm indirekt Ärger, weil ich es einfach raushauen soll und ihn damit nicht nerve und ihm alles geben soll quasi.

NCS: Es ist so! Wenn wir keine Signale zurückbekommen, ist es ein Senden ohne zu wissen, ob es irgendwo ankam. Und ich wünsche mir sehr für meine eigene Karriere, dass dieser Punkt niemals kommt, an dem ich produziere und sich keiner mehr traut mir Feedback zu geben. Egal ob positiv, konstruktiv oder negativ. Ich möchte bitte immer Feedback bekommen. Wenn ich nicht mehr weiß, ob der Empfänger noch da ist, höre ich vielleicht auf zu senden. Und das möchte ich nicht. Ich möchte gar nicht darüber nachdenken müssen, ob ich jemals in die Versuchung geraten würde aufzuhören. An dem Punkt war ich oft genug und ich möchte das nicht mehr. Ich habe endlich was gefunden, was alles in Summe genau das ist, von dem ich sage: Ich möchte das für immer weitermachen.

S: Wäre ich sehr für.

NCS: Danke (lacht). Im Zweifel, für dich, Sue. Jetzt habe ich Blut geleckt. Jetzt weiß ich, wie sich das anfühlt, das alles als Sprecherin machen zu dürfen, was ich tue. Diese große Ehrfurcht, die mit so viel Liebe und mit so viel Freude und mit so einer Gefühlsintensität einhergehen darf (seufzt grinsend).

S: Auf deiner Webseite steht, dass du mehr als 15 Jahre Moderationserfahrung hast. Gibt es etwas aus deiner Vergangenheit, so aus dem 1.-5. Jahr ungefähr, das du bis heute in deinem Job noch hast, das dir hilft beim Moderieren oder Sprechen?

NCS: Oh, ob ich ein Learning von ganz früher noch heute benutzen kann? Hm…zwei Dinge. Das Eine, ich habe Respekt vor Autoritäten, aber keine Angst. Je höher, klüger, intelligenter, angesehener, arroganter, was auch immer jemand ist, desto weniger Furcht habe ich vor ihm, weil es mich dann unglaublich interessiert, an den Menschen dranzukommen. Ich hab ein unfassbares Interesse an Menschen und wie sie wirklich sind. Nicht wie sie gern sich geben, sondern wie sie nackt sind. Alle Ritterrüstungen weg. Ich liebe es, Menschen sehen zu dürfen wie sie eigentlich sind. Früher bin ich sehr unbedarft an solche Sachen wie Interviews heran gegangen, weil ich viele Namen und Leute auch einfach nicht kannte. Oder deren Mythos. Diese Unbedarftheit, ohne ein „Oh Gott, oh Gott“ in Interviews oder Studios beispielsweise reinzugehen. Ich hab mir behalten, dass ich keine Angst vor Obrigkeiten habe, weil ich keine Angst vor Obrigkeiten haben muss. Ich habe große Ehrfurcht und ich habe großen Respekt, aber Angst hat da einfach nichts zu suchen, denn dafür bin ich Profi. Du darfst alles haben, aber keine Angst, denn du bist der Profi. Dafür stehst du da auf der Bühne oder am Mikro und nicht irgendjemand anderes. Und in dem Moment, wenn du da stehst und dich in dieser Situation befindest, gibt es einen Grund dafür, weshalb du da bist. Da ist Angst völlig fehl am Platz. Die kannst du davor haben, aber nicht, wenn du in der Situation bist.
Und das zweite ist, dass ich Interviews nur noch mit zwei Einstiegs- und einer Schlussfrage on hold vorbereite. Denn dadurch, dass ich so Bock auf die Menschen habe, bin ich eine unangenehm aktive Zuhörerin. Aufgrund meiner großen Begeisterungsfähigkeit und dem, dass jeder Mensch irgendwelche Geschichten in sich drin hat, die er nie jemandem erzählt und die eine Facette an ihm zum Vorschein bringen, die ihn aus einer ganz anderen Perspektive betrachten lassen. Ich habe sehr früh erfahren dürfen, eine Gabe für Gespräche haben zu dürfen und das auch für Figuren greifen zu lassen. Wie ich sie ausziehe, ohne das sie es merken, weil ich mich schon lange vor einem Gespräch oder einer Aufnahme intensiv mit ihren, ihrem Lebenslauf und Dingen, die über sie veröffentlicht wurden, beschäftige. Ich weiß aber auch, wie ich sie nicht an den Pranger stelle. Das sind die beiden Sachen, die ich mitgenommen habe, weil ich das schon als Stärke erfahren durfte, bevor jemand versucht hat mich zu verbiegen oder mir eine Ausbildung aufzudrücken. Ich durfte die Erfahrungen machen, bevor ich gelernt habe, wie man es eigentlich nach Lehrbuch macht. Sorry Sue, ich kann mich nicht kurzfassen.

S: Das ist völlig okay. Ich wusste vorher, dass es bei bestimmten Personen etwas ausarten wird als bei anderen (lacht).

NCS: Ja…es ist halt kein Job über den man dann redet, weil es ein Job ist. Als Mensch ist man da so nah dran, dass vieles einer kurzen Erklärung bedarf, weil da so viel mehr dahintersteckt.

S: Gibt es denn auch was, quasi die Gegenseite des Ganzen, was du früher gemacht hast, von dem du jetzt sagst „Das mache ich nicht mehr oder würde ich gerne im Nachhinein ändern“.

NCS: Ja, ich sage den Leuten nicht mehr immer was ich denke, nur weil ich etwas sehr schnell sehe oder wahrnehme. Ich kann Menschen sehr gut lesen und ich hatte früher nicht verstanden, dass Menschen gar nicht gelesen werden wollen manchmal. Vor allem, wenn sie nicht damit rechnen, dass jemand sie sehr transparent sieht. Früher dachte ich, es ist eine tolle Idee ihnen das zu sagen, wenn ich schon eine Lösung für sie sehe. Und das fanden dann viele nicht gut und empfanden mich als übergriffig, was ich auch verstehen kann. Als ich das begriffen habe und ich damit aufgehört habe, habe ich gemerkt, dass ich es mir leichter mache. Menschen kommen mit Direktheit nicht so gut klar.

S: Gab es denn Momente, in denen du alles hingeschmissen hättest und wenn ja, was tust du dann? Was hast du dann getan in der Vergangenheit?

NCS: Ich befinde mich zum ersten Mal in einer Zeit, in der ich das nicht möchte. Zuletzt hinschmeißen wollte ich, glaube ich, vor einem dreiviertel Jahr. Und davor regelmäßig, ständig, weil ich einen Anspruch an das habe, was ich tue.
Es gibt ein bestimmtes Niveau und unter dem will ich nicht arbeiten. Deswegen habe ich mir das alles so erarbeitet, wie ich mir das erarbeitet habe. Auch wenn das auf ganz viele so wirkt: „läuft bei dir und dir ist es ja zugeflogen“. Nein, keine Sekunde meines Lebens ist mir zugeflogen. Das fängt jetzt an, aber das hat ein 20-jähriges verdammt anstrengendes Fundament gebraucht. In manchen Bereichen möchte ich immer noch hinschmeißen. Also nicht grundsätzlich, aber in Einzelprojekten. Ich war kürzlich dabei, mit jemandem eine Firma zu gründen. Aber auch da war wieder der Anspruch, wie es dann sein sollte, damit ich damit gut leben kann und dem gerecht werden kann. Jetzt wird’s keine Firma geben. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich etwas nicht mehr so ausführe, wie es mein Anspruch von mir verlangt, dann nehme ich davon Abschied, auch wenn es mir das Herz herausreißt.

Der „Bissfest“-Kochcast war zum Beispiel so etwas. Zwei Jahre lang haben wir jede Woche miteinander gekocht und einen geilen Podcast daraus gemacht. Mir war aber immer klar, wo ich mit diesem Podcast hin möchte und was der bringen muss, damit der sich für mich als Hobbyprojekt trotzdem trägt, im Sinne von: Dass die Zeit, die ich da reininvestiere, zumindest auf irgendeiner Seite etwas bewirkt. Sei es, dass ich dadurch neue Jobs bekomme oder dass der Podcast bekannter wird oder es crossmedial aufgearbeitet wird. Da spiele ich für mich immer durch: Habe ich einen Nutzen an all diesen Stellen? Muss ja nicht immer an allen Stellen gleichzeitig sein, aber einen großen Nutzen im Leben muss es schon haben, dass ich Zeit da reininvestiere. Als dann klar war, dass der Podcast in dem Rahmen bleibt, dass er während Corona der Shit war, aber danach halt nicht mehr, weil man nicht mehr daheim eingesperrt ist und mit Freunden über einen Kochcast kocht… Zu verstehen, dass die Zeit vorbei ist, ist hart.
Der Grund, warum ich immer alles hinschmeißen will, ist, dass ich ganz schnell denke, wenn es meinem Anspruch nicht mehr gerecht werden kann oder erst gar nicht gerecht wird, dass ich dann gescheitert bin. Es hat eine Weile gebraucht zu verstehen, dass ich als Mensch gar nicht scheitern kann. Wenn, dann scheitert eine Idee oder ein Projekt, und das hat nichts damit zu tun, dass es nicht gut war oder von mir nicht richtig durchdacht war. Sondern: richtige Zeit, richtiger Ort, richtiges Alles. Manchmal sind die Dinge, von denen man dachte, sie seien für einen bestimmt, einfach nicht für einen bestimmt. Dafür kommt dann was anderes. An diesen Punkten wollte ich dann immer mal wieder alles hinschmeißen. Gerade zum Jahreswechsel. Ich hatte mir ein Ziel gesetzt für mich, wo ich zum Jahreswechsel 2022 auf 2023 stehen möchte. Und vieles davon war dann halt, obwohl es sich sehr konkret angedeutet hatte, so nicht gekommen. Das ist dann schon so ein Moment, in dem ich innehalte und denke: „Ja gut, dann ist es das vielleicht doch nicht“. Nur weil ich da komplett mit Herzblut drin stecke, muss der Markt mir schon trotzdem recht geben. Ich habe nichts davon, wenn ich es nur mache, weil ich es geil finde. Und dann kommen immer mal wieder Zweifel hoch, ja. Aber was dieses Jahr mich wirklich gelehrt hat, ist, dass ich das Grundvertrauen haben darf, dass das, was ich da tue, wirklich gut ist und ich mich darauf verlassen darf. Und alles andere… schauen wir mal. Der Werbemarkt ist eingebrochen. Der Hörbuchmarkt ist überlaufen. Moderationsplätze im Fernsehen gibt es nur begrenzt. Auf viele Dinge habe ich keinen Einfluss, also brauche ich sie mir auch nicht mehr persönlich hernehmen. Ich muss nicht immer denken, dass ich mich deshalb in einer Situation befinde, weil ich nicht gut genug bin, sondern auch mal, weil der Markt ruhig ist. Das ändert sich auch irgendwann wieder. Und das ist ein Grundvertrauen, das ich gebraucht habe, um nicht mehr ständig hinschmeißen zu wollen. Außerdem wüsste ich gar nicht, was ich danach mache. Es hat so viele Jahre gebraucht, um genau zu wissen, was ich machen will für den Rest meines Lebens. Und zwar alles davon, was jetzt im Pool ist.
Ich stehe jeden Tag auf und kann sagen: Egal was an dem Tag auf mich wartet, es ist etwas, das ich mag. Es gibt keinen Tag mehr in meinem Leben, an dem ich was tun muss, was ich nicht mag. Außer Steuererklärung. Sag mir mal, wann jemand in seinem Leben an diesen Punkt kommen darf. Was für ein undankbares Arschloch gegenüber dem Universum und jedem, der da oben in einer Wolke sitzt, bin ich denn, wenn ich mir anmaße, das in die Tonne zu kloppen, nur weil es mal ein paar Wochen nicht läuft? Durchhalten, komme was wolle.

S: Hast du einen Tipp für alle Sprechanfänger*innen da draußen, die auch professionell sprechen möchte, egal ob Hauptjob oder Neben Job?

NCS: Ja, lasst euch ausbilden. Schnappt euch renommierte Kollegen der Branche, die Coachings anbieten und holt euch einen Ist-Stand ab und eine Einschätzung, ob das überhaupt grundsätzlich eine Option ist die es sich für euch lohnt, weiter zu verfolgen. Ob sich das realistisch lohnt. Investiert bitte auf keinen Fall in irgendwelche Universitäten oder Krams Tausende von Euros, wenn ihr nicht wisst, ob ihr überhaupt eine Chance auf dem Markt hättet. Egal ob als Nebenberuf oder Hauptberuf.
In so einer „Hochschule“ interessiert es leider niemanden, ob ihr nachher überhaupt marktreif seid, sondern da geht es darum euch zu zeigen, was ihr machen könntet, wenn ihr es schaffen würdet. Dann lassen die euch auf den Markt los. Aber damit habt ihr noch lange keine Marktreife. Es gibt einen Grund, warum Synchronsprecher*innen erstmal auf einer Schauspielschule waren. Es gibt einen Grund, warum jemand, der vom Radio als Moderator kommt, trotzdem auch Stimmtraining nimmt. Ich habe zwei Jahre lang Stimm- und Sprechtraining genommen, jede Woche 2 Stunden lang, um mir überhaupt zuzutrauen so abzuliefern wie es die Berufssprecher*innen machen. Da steckt sehr viel Disziplin und sehr viel Handwerk dahinter. Und da steckt sehr viel Fleiß dahinter. Bringt das mit und macht und dann nehmt geile Demos auf. Nicht solche Demos, auf denen ihr wie Bruce Willis klingt, was ihr dann im Studio nie mehr so abrufen könnt in echt, denn dann ist die Karriere im Studio auch direkt wieder vorbei.
Nehmt wirklich euren Ist-Stand auf. Authentische, ehrliche Demos bei den Studios abliefern, bei denen man dann sagen kann, man hört die Entwicklung und man hat jetzt ein professionelles Sprecherniveau erreicht. Dann ab in die Rakete mit euch und los geht’s. Erster Schritt: Wirklich renommierte Sprecher oder Sprecherinnen ausmachen, bei denen ein persönliches Coaching buchen. Die dort mit Fragen löchern zu den nächsten Schritten und eine reelle Einschätzung abholen.

S: Du hast es eben kurz angedeutet, was ein No Go ist. Was sollte man als Anfänger*in auf keinen Fall machen. Außer vielleicht wie Bruce Willis auf der Demo zu klingen?

NCS: Boah, das ist eine weite Frage. Als Anfänger*in sollte man auf keinen Fall glauben, dass es eine Abkürzung gibt. Jeder, der dir das sagt, lügt dir leider ins Gesicht und das ist Fakt. Es gibt keine Abkürzungen, weil das, was dich am Ende in diesem Beruf arbeiten lässt, nicht ist, was du dir irgendwo kaufen kannst oder dir nur irgendwas angewöhnen musst oder so. Sondern du musst deine Organe, du musst deinen Körper trainieren. Das ist wie Leistungssport oder wie ein Instrument lernen. Das Üben und Trainieren nimmt dir niemand ab. Diese rein organischen Dinge kann dir keiner abnehmen. Wenn du dich um das alles gekümmert hast, kannst du auf so Dinge wie Ausspracheregeln, Mimik, Körperarbeit, Schauspiel gehen. Das alles kommt dann noch on top. Das heißt, vertraue niemandem, der dir sagt, dass du für Betrag X innerhalb einer begrenzten Zeit alles lernen oder können kannst, was du brauchst. Das fällt dir früher oder später auf die Füße. Es kann so viele negative Folgen haben.

 

S: Kommen wir zur letzten Sache. Ich habe ein This or That mit meiner Instagram-Community zusammen gemacht. Sie sind teilweise auf Freizeit bezogen, teilweise aber auch auf den Job. Entweder antwortest du mit einem Wort oder mit Erklärungssätzen.

NCS: Ich versuche es mit einem Wort (lacht).

S: Hörspiel oder Hörbuch?

NCS: Hörbuch

S: Kaffee oder Tee?

NCS: Kaffee

S: Synchronauftrag oder Lesungsauftrag?

NCS: Lesung

S: Lange Aufnahme über mehrere Stunden oder kurze Aufnahme über mehrere Tage?

NCS: Kurze Aufnahme

S: Pizza oder Pommes?

NCS: Pizza. Muss ich sagen. Mein Mann hat einen Pizzablog (lacht).

S: Sommer oder Winter?

NCS: Sommer!

S: Voice Over oder Synchronisation?

NCS: Voice Over

S: Home Studio oder Tonstudio?

NCS: Tonstudio…immer!

S: Taschenbuch oder Hardcover?

NCS: Hardcover unbedingt!

S: O-Ton oder Synchron beim Selber gucken?

NCS: Das hängt von der Quali der Synchro ab (lacht). Wenn ich nach ein paar Minuten merke, es ist scheiße gemacht… dann schalte ich in den O-Ton um. Außer es ist eine Serie, bei der ich mich bewusst schon von Anfang an für den O-Ton entscheide. Wie bei „The Marvelous Mrs. Maisel”. Die Originalserie ist so schnell im Sprech und Witz, dass ich das nicht hätte machen wollen als Dialogbuchautor*in. Chaupeau an die Kollegin, die das übernommen hat. Aber ansonsten immer Synchro.
Wir haben so eine fantastische Synchronisation in Deutschland. Wir haben ein so hohes Niveau, das gibt es in anderen Ländern nicht und ich liebe das sehr.

S: Serie oder Film gucken?

NCS: Serie.

S: Damit hast du es geschafft.

NCS: Da kommen wir wieder zum Anfang. Ich kann nicht gut mit Enden. So ein Film ist nach einer Folge zu Ende (lacht). In Filmen werden mir Geschichten zu schnell wegerzählt.

S: Versteh ich. Ich bin auch mehr Serienjunkie als Filmjunkie. Ist einfach eine Tatsache.

NCS: Ich bin früher irre gerne ins Kino gegangen. Aber seit Serien existieren über die Simpsons und Friends hinaus … Als ich erfahren habe, dass es ein Medium gebt, in dem man die Geschichten viel länger ziehen kann, war das mein „Hallo, da bin ich.“

 

Das war es schon mit Nina Schönrock und unserem Interview. Die Social Links von Nina findet ihr oben, falls ihr jetzt neugierig geworden seid. Wir lesen uns in diesem Format dann wieder in zwei Wochen! 

Habt eine schöne Zeit!
Eure Sue

 

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